Sortier Funktion V NAVI 2015

[pullquote align=right]wahrnehmen:
das Verb (mhd. war nemen, ahd. wara neman) enthält als ersten Bestandteil das unter „wahren“ behandelte Substantiv ‚Wahr‘; „Aufmerksamkeit, Acht, Obhut, Aufsicht“. Es bedeutet demnach eigentlich „in Aufmerksamkeit nehmen, einer Sache Aufmerksamkeit schenken“. Ableitung ist WAHRNEHMUNG
(aus dem Herkunfstwörterbuch (DUDEN))
[/pullquote]

Das Wahrnehmen betrachte ich in meinen Werken als DIE Grundlage, um sich einem „Verständnis“ zu nähern. Einem vorurteilsfreien Verständnis, geleitet durch vorurteilsfreie Anschauung. Denn diese leitet mich während des Entstehungsprozeßes. Im Malen, im Tun, in der aufmerksamen Bildbetrachtung während des Farbfeld-Entwicklungsproßes bildet sich immer ein Ruhepol, eine Aufmerksamkeitsbewegung hin zum Stille werden. In diesem Stille-Werden pulsiert die Seele, atmet ein und aus und weitet sich.

colorfield-farbfeld-stanko

colorfield-farbfeld-stanko

Mein Wunsch oder auch die bewußte Absicht ist hierbei die Entwicklung einer erweiterten Betrachtung. Im Schauen verbindet sich das sehende Auge, die offene Seele und der in Stille bereite Körper mit dem Atmen der Farbe, die immer Seelenaspekte in uns öffnet. Die immer wieder das Konstrukt der Zeit auflöst und ins Jetzt geleitet, sofern wir bereit sind, die Muster und Bindungen zu lösen. Und wenn diese „erweiterte Betrachgung“, das vorurteilsfreie Anschauen immer wieder gelingt könnte irgendwann hieraus ein neuer Sinn entspringen. Das dürfte der gleiche Sinn sein, den das Gebet, die stille Meditation, die Einkehr in die Stille und alles andere in uns Wirksame befördert, um in der Entschleunigung ganz in uns anzukommen…

Natürlich ist diese „Form“ der Bildbetrachtung auf alles Wahrzunehmende anwendbar, ob es moderne oder klassische Kunst ist, ob es den Moment der Begegnung zweier Menschen beschreibt oder eine wimmelnde Menschenmenge auf dem broadway umfaßt; überall sind wir gefordert eine „neue“ Weltbetrachgung zu üben. Einmal, um ein Handwerkszeug auszubilden in einer sich schneller drehenden Welt, zum anderen, um dem scheinenden und anscheinenden Wirbel in unserer Seele aufmerksam zu begegnen. Wir sind hier um zu lernen, um Erfahrungen zu machen, um uns selbst zu erfüllen, der Aufgabe unserer Seele gerecht zu werden. (Danke Sabrina für diese geliehenen Zeilen). So betrachte ich auch diese Herausforderung als immamente Aufgabe meines Seins. Und hoffe durch meine Kunst, diese stille Art der Betrachtung zu fördern…

Colorfield – wie bitte?

Colorfield Painting (Farbfeldmalerei) kann auf die ersten „abstrakten“ Bilder des letzten Jahrhunderts zurückgeführt werden. Laut den Kunsthistorikern fallen dabei Namen wie Wassilly Kandinski, Paul Klee, Kasimir Malewitsch (mit dem Schwarzen Quadrat 1915), Sonja und Robert Delaunay und weitere Vertreter des Expressionismus. Selbst Bilder des englischen Meisters William Turner könnten bildlich daraufhin betrachtet werden.

colorfield-amora

Colorfield-Stanko - Amora

In den USA entwickelte sich daraus der „Abstrakte Expressionismus“,  Clement Greenberg prägte auch den Begriff des Colorfield Painting mit seinen Vertretern wie Joan Mitchell, Ad Reinhard, Barnett Newmann und Mark Rothko.

colorfield-farbfeld-tuerkis

Colorfield-Stanko (Farbfeld tuerkis)

Ganz in diese Tradition stelle ich meine Colorfield Paintings aus den letzten Jahren, angereichert durch eine neue Form der Expressivität. Dabei heben sich viele Arbeiten von einer anderen europäischen Strömung – der konkreten Kunst – deutlich ab, da jede Farbfläche sichtbare Spuren des Entstehungsprozeßes beinhaltet.

colorfield-stanko-juli-thod

Colorfield Stanko Juli Thod

Kannst Du mit geschlossenen Augen sehen?

stanko-wasser-golden

stanko-wasser-golden

Wieviel Bild verträgt die Seele, wieviele Varianten oder welcher Art sollen die Bilder sein, damit wir nicht durch Überfluten hinweggeschwemmt werden? Gehst Du mit offenen Augen durchs Leben ist alles Bild – dazu Bewegtbilder – Kunstbilder – Grafisches und Verflossenes. Der unablässige TV-Strom, die überquellende Auslage am Kiosk, die Bilderfluten des Internets…und alles scheint voller Bedeutung. Ist dem so? Oder bedeutet die „Vermassung“ nicht viel mehr Beliebigkeit – alles ist austauschbar, weil die Fülle uns zur Flüchtigkeit verleitet.

Wieviel Zeit bleibt uns im Anschauen des „einen Bildes“, der einen Landschaft? Wieviel inneren Raum geben wir dem geliebten Gesicht uns gegenüber – wieviel Intensität und Nähe ertragen wir noch im Schauen, wo doch alles flüchtig und austauschbar scheint? Und was macht das mit unserer Seele? Was passiert mit dem Geist und wie verdichten sich all die Bildflüße in unseren Körper hinein? Wie soll sich hier das Lebens ins uns hinein verdichten, so daß wir Substanz bilden und im wahren Sinnen sehend werden?

odilon-redon

Odilon Redon ( Ausschnitt )

Ich erlebe im langsamen Schauen, in der Entschleunigung des Sehens, im sinnhaften Betrachten eine ganz eigene Annäherung an tieferes Sein, an ein tiefes Ein- und Ausatmen. So dienen Bilder dem Sehen an sich und der öffnenden Seelenbildung, um den in der Tiefe schlummernden Seelen-See zu nähren. Dieser bildet das Reservoir. Ein Becken voll verstummter Intensität und Dichte, die nicht still – nicht laut ist, aber dennoch klingt. Doch gelingt das nur im Innehalten, im „Langsam Werden“ – im verdichteten Sehen, in der bedachten Anschauung. Nichts scheint so leicht wie das, aber wem gelingt das? Ist nicht immer der unruhige Geist, vielfach plappernd, ständig stumme Worte produzierend viel lauter als dieses stille Schauen? Ist es nicht an der Zeit, das anzuhalten, sich da heraus zu nehmen? Und wo sind die Andachtsräume dafür?

Das was früher der sakrale Raum war ist heute vielfach abgelöst durch den Kunstraum, der uns aus der Hektik des Tagesgeschehens zur Kontemplation ermutigt. Hier wie in alten Kreuzgängen, in verlassenen Kirchen und Sakralräumen begegnen wir uns in der Stille, selbst in Ausstellungen. Natürlich auch im Naturerleben, wo die Immanenz des Werdenden spürbar ist. Aber gehen wir dem wirklich nach? Gibt es heute noch beseelte Rituale, die unsere sehnende Seele damit verbinden? Ach es gibt so viel zu tun…
Dazu ein Video von Sabrina Fox: „Verantwortung für sich und andere übernehmen


Ohne dieses Bewußtsein, daß ich der denkende Part in meinem Leben bin und die alleinige Verantwortung dafür trage, wird eine Annäherung an die Stille in mir kaum gelingen, denn immer wieder taucht der Richter in mir auf, um mich an das Andere zu erinnern. Vielleicht hilft ja, es einfach sein zu lassen?